Grete Ursula Jordan, geboren am 19. 9. 1921 in Göttingen, war das zweitjüngste Kind in der fünfköpfigen Kinderschar des Ehepaares Adolf und Anna Frieda Jordan. Ihre Kindheit verlebte sie in Einbeck, auf einem attraktiven Anwesen: „Ein schöner Garten, viele Obstbäume, ein Teich mit Fischen – es war sehr sehr schön“, so Grete Jordan in einem Interview.

Das Haus war offen, viele jüdische Schulfreunde ihrer älteren Geschwister machten oft einen Zwischenstopp auf dem Weg nach Hause. „Auch Geburtstage wurden groß gefeiert ..“ Das religiöse Leben fand in der Familie Jordan keine große Resonanz, aber an hohen Feiertagen ging man in die Synagoge. Hebräisch-Unterricht erhielt sie im Rahmen eines Privatunterrichts, der nachmittags stattfand.
Als die Eltern sich trennten, zog sie mit ihrer Mutter und den Brüdern Hans und Gerd nach Uelzen. Dort besuchte sie die Oberschule, in der sie sich zwar nicht wohl fühlte – „Schule … war ziemlich trostlos“ jedoch von dramatischen Erlebnissen verschont blieb. An direkte antisemitische Propaganda und Schikane in der Schule erinnert sie sich nicht. Doch für ein junges Mädchen wie sie war es auch belastend, „überall übergangen“zu werden.

Grete Jordan

Enge Freundinnen hatte sie nicht, aber es gab zwei Mädchen in ihrer Nachbarschaft, die nicht dem Bund Deutscher Mädel (BDM) angehörten und ihr nicht ablehnend gegenüberstanden. Diese beiden Freundinnen unterstützen die Familie Jordan sowie Großmutter Klara Plaut und die Tante Ella Lina durch kleine Hilfestellungen. Diese mussten aber immer heimlich erfolgen, da es offiziell verboten war, jüdischen Mitbürgern zu helfen.Einem „Rausschmiss“ aus der Schule kam die Mutter zuvor, indem sie ihre Tochter rechtzeitig aus dem Lyzeum nahm. Grete Jordan besuchte anschließend 1937 eine Hauswirtschaftsschule, das „Paulinenstift“in Hamburg, in dem ausschließlich jüdische Mädchen unterrichtet wurden. Dort fühlte sie sich wohl und lernte zum ersten Mal religiös orientiertes jüdisches Alltagsleben in der Gruppe kennen. „Ja, es war toll. … es war orthodox. . ., nun bin ich in die Synagoge gegangen“, so Grete Jordan später.

Ereignisse in der Pogromnacht machten dem erst 17-jährigen Mädchen deutlich, wie gefährdet jeder jüdische Mensch in Deutsch- land war. So nutzte sie die Chance, am 6. 7. 1939 im Rahmen der Aktion ,Kindertransport“ nach England zu emigrieren. Aber nur sie allein; Mutter, Großmutter, Tante und ihr Bruder mussten zurück bleiben. Die Mutter brachte sie in Hannover an den Zug. „lch wusste, dass ich sie niemals mehr wiedersehen würde.“ Zahlreiche englische Familien hatten sich bereit erklärt, Kinder österreichischer und deutscher Juden aufzunehmen. Insgesamt waren es über 10.000 jüdische Kinder, die so vor der NS-Verfolgung gerettet wurden.

Grete Jordan fand ein neues Zuhause bei einer englischen Arztfamilie in Cambridge. Sie führte deren Haushalt. Sie wurde von dem Ehepaar Drewry sehr freundlich und zuvorkommend behandelt und musste auch nicht die staatliche „Behandlung“ über sich ergehen lassen, die viele Emigranten nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in England zu ertragen hatten. Während des Krieges absolvierte sie eine Krankenpflegeausbildung, nach dem Krieg qualifizierte sie sich zur Hebamme,machte Zusatzausbildungen in der Sozialfürsorge und im Medizinmanagement in Großbritannien und den USA. Für kurze Zeit hielt sie sich auch in Südafrika auf, um dort ihre beiden Brüder zu besuchen. Doch das gesellschaftspolitische Klima in diesem Land sagte ihr nicht zu. „… ich konnte diese Art zu leben nicht ertragen.“ Es erinnerte sie wohl zu sehr an die Zeit im nationalsozialistischen Deutschland.
Sie kehrte zurück und bekleidete bis zur Pensionierung Führungspositionen im nicht-medizinischen Management von Krankenhäusern und Altersheimen im Großraum London. Grete Jordan lebt heute allein und sehr zurückgezogen in einem kleinen Reihenhaus am Stadtrand von London.